Inklusion an Schulen - „Voneinander lernen"
Schüler der Mannheimer Akademie für soziale Berufe im regen Austausch mit dem Landtagsabgeordneten Stefan Fulst-Blei
Am Freitagmorgen, den 30. Januar, besuchte der Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei die Mannheimer Akademie für soziale Berufe. Die Freude, dass er wieder einmal die Funktion des Lehrerdaseins ausüben durfte, war ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.
Zunächst nutze er die Zeit, um sich mit Wolfgang Hahl, dem Leiter der Einrichtung, auszutauschen. Da Fulst Blei an der Praxisintegrierten Ausbildung zum/zur Erzieher/in (PiA) mitbeteiligt war, interessierte er sich zunächst für die Erzieherausbildung an der Mannheimer Akademie für soziale Berufe. „Wir haben zurzeit 8 Klassen in der Erzieherausbildung. Leider keine in der PiA Ausbildung, da diese für die Träger zu teuer und die Stadt Mannheim nur bei der staatlichen Schule ausbildet," berichtete Hahl.
Schnell kamen die Beiden dann auf die Problematik der demografischen Entwicklung zu sprechen. „Neben Erziehern benötigen wir dringend mehr Altenpfleger," so Hahl und spricht sich vor allem für eine 2-jährigen Ausbildung zum/zur Altenpflegehelfer/in aus. In jedem Schuljahr beginnen rund neunzig Schüler die Ausbildung zum AltenpflegerhelferIn, am Ende werden die Hälfte zu Fachkräften qualifiziert. Viele werden bereits in der Probezeit gekündigt oder schaffen die Prüfung nicht. Zu kurz ist die Lernphase, so geht es schon nach 9 Monaten in die Prüfungsphase. „Der Leistungsdruck in einem Jahr ist eindeutig zu hoch," macht Hahl einen Grund für den Ausbildungsabbruch fest „Wir müssen die jungen Menschen zunächst zu Lerngruppen formen und für die komplexe Ausbildung vorbereiten."<img src="fileadmin/_migrated/RTE/RTEmagicC_IMG_0040.jpg.jpg" data-htmlarea-file-uid="22" data-htmlarea-file-table="sys_file" width="300" height="200" txdam="3013" style="padding-top: 5px; padding-bottom: 5px; padding-left: 5px; float: right;" alt="" />
Schnell wird klar, dass immer mehr Migranten in diesen Berufszweig einsteigen und in manchen Fächern wie Deutsch an ihre Grenzen stoßen. Hahl sieht die Gefahr in der angestrebten generalistischen Ausbildung – neben einer demographisch falschen Entscheidung für die Versorgung alter Menschen – in den Schulen eine Absenkung der Lehrqualität.
Fulst-Blei versprach die besprochenen Punkte in seine Reflexion aufzunehmen und erkundigte sich abschließend noch nach der Trägerschaft der Mannheimer Akademie für soziale Berufe. Diese wird vom Deutschen Roten Kreuz Kreisverband Mannheim e.V. getragen. Daher wird kein Schulgeld erhoben. „Wir teilen die Ideale des Roten Kreuzes und sind offen für Menschen aus allen Kulturen und in jedem Alter", fand Hahl die passende Überleitung zum Thema der Unterrichtsstunde - Inklusion.
Dann trat der ehemalige Berufsschullehrer Fulst-Blei vor die Gymnasiumsklasse. Um die Vorurteile aus dem Weg zu räumen, dass Vollpolitiker nicht nur „gut bezahlte und faule Säcke" sind, schilderte Fulst-Blei zunächst seine Arbeitswoche. Gespräche mit dem Ministerpräsident Winfried Kretschmann oder Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz, Treffen zum Thema „Gegen Gewalt" mit den Fans des SV Waldhof Mannheim, Spatenstiche und Einweihungen beschäftigen ihn ebenso, wie die Themen Flüchtlinge und Inklusion.
<img src="fileadmin/_migrated/RTE/RTEmagicC_IMG_0059.jpg.jpg" data-htmlarea-file-uid="23" data-htmlarea-file-table="sys_file" width="300" height="200" txdam="3014" style="padding-top: 5px; padding-right: 5px; padding-bottom: 5px; float: left;" alt="" />Aber was ist Inklusion überhaupt? Dass sich auf diese Frage hin keiner der 26 Schülerinnen und Schüler meldete, störte Fulst-Blei nicht weiter. Hat er doch die Angewohnheit die Schüler direkt aufzurufen - mit Erfolg, denn prompt bekam er die richtige Antwort.
Schnell war das Eis gebrochen und drei Schüler berichteten über ihre Erfahrungen im Umgang von Menschen mit Behinderung. Es ist zwar nicht immer leicht, aber man war sich einig, dass beide Seiten voneinander lernen und die Integration von behinderten Menschen eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Hierbei kam Fulst-Blei auf die Vereinten Nationen und das 2006 verabschiedete Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, welches 2007 auch von Deutschland unterzeichnet wurde, zu sprechen. Als Fraktionsvorsitzender stimmte er im Landtag zwar zu, warnte aber zugleich vor fehlenden Konzepten. Es folgte ein reger Austausch zwischen dem Politiker und den Schülern. Dabei nutzte er einerseits die Gelegenheit, sich eine direkte Einschätzung von den jungen Menschen zu holen, gab ihnen im Gegenzug aber auch wertvolle Ratschlage mit auf den Lebensweg.
Besonders besorgt zeigt sich Fulst-Blei über die viel zu schnelle Medikamentenvergabe. Erfolgreiche Inklusion erfordert vor allem soziale Kompetenz und nicht den Einsatz von Ritalin, einen Arzneistoff, um die negativen Auswirkungen von ADHS zu unterbinden. Eine weitere Anforderung für erfolgreiche Inklusion sieht er in der Lehrerausbildung. Hier spricht Fulst Blei aus eigener Erfahrung. So konnte ihm ein ehemaliger Schüler sechs Monate lang eine Dyskalkulie (Beeinträchtigung des arithmetischen Denkens) verheimlichen. Erst nach einer Matheklausur entdeckte er die Rechenschwäche. Dieses Versäumnis beschäftigt Fulst Blei heute noch. Der Anspruch der Politik muss sein, dass Lehrkräfte im Hinblick auf die Unterrichtsgestaltung gezielt gefördert werden, sowohl bei der Diagnose, als auch bei der Methodik und Didaktik.
<img src="fileadmin/_migrated/RTE/RTEmagicC_IMG_0073.jpg.jpg" data-htmlarea-file-uid="24" data-htmlarea-file-table="sys_file" width="300" height="200" txdam="3015" style="padding-top: 5px; padding-right: 5px; padding-bottom: 5px; float: left;" alt="" />Für sein Tafelbild entschuldigte sich Fulst-Blei und bat Wolfgang Hahl, der die Stunde in den Reihen der Schüler verfolgte, dieses bitte nicht zu bewerten. Stefan Fulst-Blei bedankte sich für die vielen interessanten Beiträge und freute sich über so viel Sozialkompetenz an der Mannheimer Akademie für soziale Berufe.